Coaching zum Thema "Selbstmarketing" oder über Posaunen, Harfen und Cellos
Ute, 55, versteht ein Feedback ihrer Chefin nicht
Ute, eine erfolgreiche Finanzexpertin, sitzt mir im Coaching gegenüber. Sie arbeitet in einem namhaften Konzern und eigentlich ist ihre Welt in Ordnung. Wäre da nicht dieser Kommentar ihrer Chefin im Mitarbeitergespräch gewesen:
"Verkaufen Sie sich besser nach außen, machen Sie Eigenwerbung und ziehen Sie mal mit der Posaune durch den Gang!"
Meine Klientin war ratlos: Wozu sollte das gut sein? So etwas passe doch gar nicht zu ihrer Persönlichkeit, erklärt sie mir. Außerdem sei ihr auch nicht klar, warum das ihrer Chefin so wichtig sei. Im Laufe des Gesprächs erkennt sie dann den Grund: Wenn ihre Kompetenz aus der Abteilung herausstrahlt, werden sich andere Abteilungen viel mehr direkt an sie wenden. Das entlastet ihre Chefin um Delegations- und Informationsaufgaben.
Um zu klären, was sich genau ändern müsste, damit sie mehr Aufmerksamkeit erzielen kann, machen wir eine Figurenaufstellung. Sie arrangiert ihre Persönlichkeitseigenschaften auf unserem Arbeitstisch. Dann überlegt sie, welche neuen Eigenschaften sie brauchen würde, um den Wunsch ihrer Chefin zu erfüllen. Sie ist total in ihre Aufstellungsarbeit versunken und erzählt von sich und ihrem Alltag. Immer wieder landet sie ratlos bei dem Bild von der Posaune. Plötzlich fällt ihr eine Geschichte ein und sie beginnt zu lachen. Sie schildert, wie eine Kollegin sie einmal mit einer Harfe verglichen habe und stößt entrüstet aus: „Und dabei hasse ich Harfen!“ Gelächter, wir amüsieren uns beide. Die Antwort auf die Frage, welches Instrument sie denn lieber wäre, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Ein Cello!“
Perfekt! Damit können wir arbeiten! Ein Cello ist zwar keine Posaune, tritt aber im Orchester deutlich in Erscheinung. Sie arrangiert die Figuren so um, dass ihr berufliches Auftreten wie ein Cello im Orchester wirkt. Sie rückt Eigenschaften ganz dicht an sich heran und schiebt andere in den Hintergrund. Irgendwann lehnt sie sich zurück und schaut zufrieden auf den Tisch.
„Ich weiß jetzt, wie ich mich mehr in den Mittelpunkt rücken kann, so dass es auch zu mir passt. Wenn ich das nächste Mal wieder versuche, möglichst unauffällig zu bleiben, dann denke ich an Harfengeplätscher und frage mich, wie ich mich als Cello präsentieren könnte.“
Sie ist optimistisch und ich bin es auch. Einige Monate später haben wir wieder Kontakt. Sie hat nun ein anderes, deutlich anspruchsvolleres Aufgabengebiet übernommen, nachdem mehrere Chefs auf sie aufmerksam geworden waren. Und: Sie hat sich ihren Jugendtraum erfüllt und angefangen, Cello-Stunden zu nehmen!